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„Aachener Wirren“ – Zusammenleben und Religionskonflikt in Aachen 1555–1614

Vortrag: „Aachener Wirren“ – Zusammenleben und Religionskonflikt in Aachen 1555–1614

Referent: Thomas Kirchner (Aachen)

Zeit: 2. Nov. 2012, 19:00 Uhr (s.t.)

Veranstaltungsort: Sitzungssaal Haus Löwenstein, Markt 39/41, Aachen

(Die protestantische Bittschrift von 1559)

Wenn sich Aachener heute die Geschichte ihrer Stadt vergegenwärtigen, kommen ihnen selten Personen oder Ereignisse des 16. und frühen 17. Jahrhunderts in den Sinn . Auch in der historischen Forschung hat man sich in den vergangenen Jahren nur sehr sporadisch mit Themen befasst, welche die Geschichte Aachens in der frühen Neuzeit betreffen. Trotzdem sind die Schlagworte „Aachener Wirren“ und „Aachener Trubeln“ erstaunlich bekannt.

Zum einen werden damit die dramatischen Ereignisse der Jahre 1611 bis 1614 bezeichnet: Ein gewaltsamer Bürgeraufstand im Sommer 1611; die Aufrichtung eines protestantisch dominierten Stadtregiments; und die Rekatholisierung Aachens, die 1614 mit dem bedrohlichen Aufmarsch spanischer Truppen vor den Mauern der Stadt begann. Zum anderen werden die Jahrzehnte zwischen 1555 und 1614, als ein wesentlicher Teil der Aachener Bevölkerung protestantischen Gemeinden angehörte, insgesamt als Zeit der „Wirren“ erinnert.

Katholiken und Protestanten in Aachen, konnten sich nur als Feinde gegenüberstehen, die ihre Stadt in Streit und Tumult stürzten. So die übliche Deutung, die schon bei den zeitgenössischen Geschichtsschreiber Beeck und Noppius zu finden ist und die nach 1614 eine wesentliche Rolle im Verständnis Aachens als ‚katholische Stadt‘ spielte.

Dabei ist es alles andere als selbstverständlich, die Zeit in der Protestanten und Katholiken in Aachen zusammenlebten als Zeit der Konfessionskämpfe zu verstehen. Vielmehr drängen sich die Fragen auf, wann und unter welchen Umständen dieses Geschichtsbild entstand. Welche alternativen Ansichten vertraten die Zeitgenossen in Aachen zu ihrem gemischtkonfessionellen Gemeinwesen und warum verwarfen sie diese?

Der Vortrag geht diesen Fragen nach und untersucht außerdem Erfahrungen und Strategien des Zusammenlebens von Bürgern und Einwohnern Aachens während der etwa 60 Jahren bis 1614, in denen die lutherische und die reformierte Religion ebenso zu Aachen gehörten wie die katholische. Die Zeit, in der die Aachener Bürgerschaft über Jahre hinweg wechselnde Stadtregimenter und drei unterschiedliche Konfessionskirchen erlebten, fordert nach Auffassung des Referenten eine andere Bezeichnung als Konfessionskampf oder „Aachener Wirren“. Nach seinen Erkenntnissen gingen die Aachener Bürger mit der konfessionellen Vielfalt vielmehr bemerkenswert lang erfolgreich um.

Der Vortrag basiert auf den Forschungen des Referenten, deren Ergebnisse der Philosophischen Fakultät der RWTH Aachen als Dissertation mit dem Titel „Zusammenleben als Herausforderung. Die interaktive Konfessionalisierung der Reichsstadt Aachen 1555–1618“ vorgelegt wurde.

zu unserem Beitrag über das zwei Jahrhunderte wirksame Ende der Reformation in Aachen