Logo des AGV

Online-Beiträge


Josef Pontens Bücher in der Gefängnisbibliothek von Alt-Moabit

Der Brief der polnischen politischen Gefangenen bezieht sich ohne Zweifel auf das vielleicht bedeutendste dichterische Werk Pontens „Volk auf dem Wege“ über die Auswanderung Deutscher, darunter auch Rheinländer, nach Russland, die damit einem Ruf Katharina der Großen folgten. Das 6bändige Werk war zu seiner Zeit ein ausgesprochener „Bestseller“, ist aber wie das sonstige Werk Pontens heute nahezu vergessen.

Servatius Josef Ponten wurde am 3. Juni 1883 in Raeren bei Eupen geboren und starb am 3. April 1940 in München. Er studierte Philologie, Architektur und Kunstgeschichte und promovierte über den Aachener Maler Alfred Rethel (Rathausfresken). Er war mit der Malerin Julia von Broich (aus der auf Schloß Schönau sitzenden Familie v. Br.) verheiratet und unternahm mit ihr ausgedehnte Reisen, die er z.T. schriftstellerisch oder in Vortragsreisen verarbeitete. Beide gehörten in München zum Kreis um Thomas Mann.

Unter dem 21.10. 1938 findet sich in einer Akte der Reichschrifttumskammer vermerkt:

“ Der genannte ist Kunst – und Romanschriftsteller. Einer Partei gehörte er nie an, jetzt auch noch keiner Gliederung ausser dem RLB (Reichslehrerbund). Er bezieht den VB (Völkischer Beobachter). Nachteiliges ist nicht bekannt über ihn. Nach seinen Werken, die er verfasste, ist bestimmt anzunehmen, dass er in unserem Sinne Gutes leistet.”

Inhalt und Erzählweise der Werke Pontens finden zwar Gefallen bei den Nationalsozialisten. Er genießt zwar die öffentliche Anerkennung und den Ruhm, meidet aber bis zu seinem Tode eine stärkere Bindung an die Partei als den Bezug der Parteipresse und die Mitgliedschaft in einem gleichgeschalteten Berufsverband.

1941, im Jahr nach seinem Tode wird Ponten neben 3 weiteren Dichtern (Wilhelm Pleyer, Hans Harder und Arnold Roth) für die Verleihung des Volksdeutschen Schrifttumpreises in Stuttgart in Betracht gezogen. Der Staatsrat Hanns Johst wird zu einer gutachterlichen Stellungnahme aufgefordert. Bei Wilhelm Pleyer und Hans Harder bemängelt er die individuelle Sichtweise, bei der „die Existenzbedrohung und der Kampf des auslandsdeutschen Volkstums“ nicht deutlich werde. Auch bei Ponten stehe die „Auslandsnot und der Kampf der Volksdeutschen“ weit hinter dem Werk Arnold Roths zurück. Dieser alleine behandele das „Volksschicksal“ und werde daher zur Preisverleihung vorgeschlagen.

Da Ponten nicht die vom Nationalsozialismus gewünschte agressive „völkische“ Position bezieht, stößt sein Werk die junge polnische Patriotin Krystyna Wituska überhaupt nicht ab, sondern findet sogar in einem solchem Maße ihr Interesse, daß sie auf den Freigang verzichtet, um in dem Buch weiter lesen zu können. Die Zeit hierfür war knapp, da die politischen Gefangenen den ganzen Tag über arbeiten mußten und da das Licht abends ausgeschaltet wurde. So erfährt die Gefangene nicht nur etwas über die Aachen-Wallfahrten, sondern auch über die Stadt selbst.

Auszug aus dem Kassiber

Krystyna Wituska wurde am 12. Mai 1920 auf dem Gut Jerzew an der Warte geboren. Sie wurde wegen ihrer gerade begonenen konspirativen Tätigkeit für die Armia Krajowa (Landesarmee) am 19. Oktober 1942 verhaftet und im April 1943 vom Reichskriegsgericht zum Tode verurteilt. Ihr Gnadengesuch blieb erfolglos. Ihr in polnischer Sprache geschriebener Abschiedsbrief an die Eltern wurde am 26. Juni 1944 in Halle geschrieben. Dort ist sie wohl wenig später hingerichtet worden. Auf der Rückseite des Briefes befinden sich einige Zeilen aus einem Gedicht Theodor Körners:

„Viel des Edlen hat die Zeit zertrümmert,
Viel des Schönen starb den frühen Tod,
Durch die weichen Blätterkämme schimmert
seinen Abschied mir das Morgenrot.

Doch um das Verhängnis unbekümmert
Hat vergebens euch die Zeit bedroht,
Und es rauscht mir aus der Zweige Wehen:
Alles Große muß den Tod bestehen.“

Während das weltbekannte Selbstzeugnis der Anne Frank im Augenblick ihrer Entdeckung und Verschleppung durch die NS-Machthaber endet, beginnt dieses Selbstzeugnis erst einige Wochen nach der Verhaftung und zwar nach der Überführung in die Haftanstalt am Berliner Alexanderplatz. Dort freundete sich Krystyna mit der jungen deutschen Kommunistin Rosemarie Terwiel an. Diese bestärkte sie in der politischen Ablehnung des NS-Regimes, dem gegenüber sie trotz der ausweglosen Lage ihren Stolz und ihren Mut nicht verlieren wollten. Deutsche lehnte sie nicht an sich ab. Vielmehr lernte Krystina durch ihre deutsche Mitgefangene erst einigermaßen fehlerfrei in der deutschen Sprache zu schreiben und lernte durch sie die deutschen Kultur zu schätzen.