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An Aachens Oberbürgermeister Franz Oppenhoff

Seine Mörder ließen das Opfer im Prozeß von 1949 von ihren Verteidigern als Drückeberger verhöhnen. 14 Mal habe er einen Gestellungsbefehl der Wehrmacht bekommen und sei jedesmal erneut auf Betreiben seines Arbeitgebers (Veltrup-Werke) „uk gestellt“ worden. Ein Zeuge will ihn um den 10.9.1944 in einer Infanterie-Uniform gesehen haben. Die Angeklagten suggerierten, daß er sich unerlaubt von der Truppe entfernt habe und daß sie nur ein deswegen ergangenes Todesurteil vollstreckt hätten. Sie fanden mit dieser Verdrehung der Tatsachen zwar keinen Glauben, wurden aber aus heutiger Sicht für den feigen Mord sehr milde bestraft.

Was ging dem spektakulären Wehrwolfanschlag auf Franz Oppenhoff vom 25.3. 1945 voraus:

Franz Oppenhoff wurde am 18.8.1920 als Sohn des KKG-Lehrers und späteren Schulrates gleichen Namens geboren, entschied sich aber für das in der Familie bevorzugte Studium der Rechtswissenschaften. Ob und wann der Onkel Friedrich Maria Oppenhoff Präsident des LG Aachen wurde, konnten wir nicht feststellen. Auf jeden Fall aber präsidierte sein Onkel Joseph Oppenhoff von 1922 bis 1933 dem Landgericht. Großonkel Friedrich Oppenhoff stieg noch im 19. Jh. bis zum Senatspräsidenten am Kammergericht Berlin auf. Walter Oppenhoff, der etwas jüngere Vetter von Franz, wurde in der Nachkriegszeit Seniorpartner einer der größten, international ausgerichteten Anwaltskanzleien Deutschlands mit Sitz in Köln (u.a.). Der Großvater Theodor Oppenhoff war schließlich nicht nur Präsident des LG Aachen, sondern auch Mitglied der Vorstände des Karlsvereins, des Archäologischen Vereins und des Aachener Geschichtsvereins. Die Familie zeigte also sowohl eine Affinität zur Jurisprudenz wie zu unserer Heimatstadt Aachen.

Franz Oppenhoff ließ sich nach Abschluß seiner Ausbildung 1932 in Aachen als Anwalt nieder. Nach kurzer Tätig in einer Bürogemeinschaft eröffnete er die Kanzlei in der Wilhelmstraße 52.

Geht man von der Sitzverteilung zum Vorstand der Rechtsanwaltkammer des OLG-Bezirks Köln am 22.4. 1933 aus, waren inzwischen über die Hälfte der Kollegen der NSDAP beigetreten. Der übergroße Teil des restlichen Vorstandes gehörte der DNVP an, die aber bald als Ganzes in die NSDAP eingegliedert wurde. Nur ein Zentrumsmitglied störte die politisch einseitige Ausrichtung. Zu dieser Minderheit von Kollegen, die dem Neuen Deutschland reserviert gegenüber standen, gehörte auch Franz Oppenhoff. Ob ein Zusammenhang dazu besteht, daß sein Onkel Joseph 1933 als Landgerichtspräsident abgelöst wurde? Franz`konsequente Distanz zur NSDAP brachte ihm viele strafrechtliche Mandate von bedrängten katholischen Geistlichen und die Vertretung des Metz-Verlages wegen dessen willkürlicher Schließung nach Druck der Enzyklica „In brennender Sorge“ ein – machte ihn allerdings auch zumindest bei der örtlichen NSDAP verhaßt.

Als bald nach Kriegsbeginn auch etwas ältere Jahrgänge eingezogen wurden, begründete Franz Oppenhoff gegenüber seiner Frau seinen hartnäckigen Widerstand gegen eine Einziehung zur Wehrmacht mit der inzwischen obligatorisch gewordenen Vereidigung auf die Person Adolf Hitlers. Daß es nicht an fehlendem Mut lag, beweist sein Schicksal in den letzten Kriegsmonaten. Das offizielle Kriegsende für Deutschland sollte er aber nicht mehr erleben.

Ende des Krieges wohnte er mit seiner Familie in Eupen. Weil es Sonntags war, befand er sich zu Hause, als die US-Army am 10. 9. 1944 Eupen einnahm. Die Kapitulation von Aachens Kampfkommandanten ließ noch lange – bis zum 21.10. 1944 – auf sich warten. Wenige Tage zuvor hatten die Amerikaner Aachens Bischof Joseph van der Velden aus dessen Versteck in den Kellern des GEKA-Kaufhauses geholt und befragt, welche Person er als Berater für den Aufbau einer zivilen Verwaltung empfehlen könne. Der Bischof holte zusammen mit Major Swoboda, dem stellvertretenden amerikanischen Stadtkommandanten, Oppenhoff zu dessen Überraschung hierzu mit dem Jeep in Eupen ab. Oppenhoff stellt eine Liste zusammen. Am 31.10. 1944 wird in diesem Kreis per Akklamation entschieden, daß Oppenhoff als Oberbürgermeister die Leitung der Geschäfte übernehmen soll. Für Oppenhoff ist wichtig, daß in Art 43 Haager Landkriegsordnung völkerrechtlich geregelt ist, daß derartige Zivilverwaltungen in besetzten Gebieten eingesetzt werden können. Er bedingt sich aus, im Zweifel nicht entgegen deutschen Interessen handeln zu müssen oder gar gegen deutsches Militär eingesetzt zu werden. Beigeordnete Bürgermeister für die verschiedenen Dezernate werden: Karl Breuer, Heinrich Faust, Gerd Heusch, Joseph Hirtz, Kurt Pfeiffer, Helmut Pontesegger und Hans Schwippert.

Die Gruppe wird der Internationalen Presse vorgestellt, die allerdings keine Fotos machen oder Namen notieren darf.

Oppenhoff erließ folgenden Aufruf an die Aachener Bevölkerung

(hier gekürzt wieder gegeben):

>> Unsere fast zweitausendjährige Stadt ist in ihrer Geschichte niemals von einem gleich schweren Schicksal getroffen worden wie heute. Kein früherer Krieg, kein Stadtbrand, keine Hungersnot, keine Seuche haben die Stadt in ähnlicher Weise heimgesucht. Was nach den schweren Fliegerangriffen noch blieb, das ging in den letzten Kämpfen verloren. Wir finden nur noch Trümmer. Es fehlt an allem: An Wohnungen, an Nahrung, an Kleidung, an Werkzeugen, an Geld und an Hilfsquellen. Bitterste Not liegt hinter uns; lange, schwerste Zeiten des Aufbaues vor uns. Es gibt nichts mehr zu verwalten. Alles und jedes ist neu zu erarbeiten. Die Aufgabe scheint hoffnungslos und geht fast über unsere Kraft. Dennoch ist es unsere Gewissenspflicht, die Arbeit anzufangen. Zu [unseren jetzigen] Aufgaben gehören:

*Aufräumen der Straßen für den lebenswichtigen Verkehr;

*Erzeugung, Bergen und Heranschaffen der Lebens- und Existenzmittel;

*Instandsetzung der Anlagen für Wasser und Licht;

*Einfachster Ausbau von Krankenhäusern und Altersheimen;

*Neuerstellung aller Unterlagen zum Wiederaufbau des Waren- und Zahlungsverkehrs in einfachster Form;

*Errichtung städtischer Dienststellen für Ordnung, Sicherheit und gerechte Verteilung.

Denken wir daran, wie oft wir gesagt haben, wir wollten gerne von vorne beginnen und auf alle lieben und sogar notwendigen Dinge verzichten, wenn wir nur heil durch den Krieg kämen.
Es ist soweit! ... Nun müssen wir auch zum Verzicht bereit sein! Die Männer, die sich trotz aller Schwierigkeiten aus leidenschaftlicher Liebe zur Heimat unter der Militärregierung bereit gefunden haben, das Aufbauwerk zu lenken, werden alles daran setzen, sobald wie möglich neue Fundamente, materielle, aber auch geistige, zu legen.

Der Oberbürgermeister<<

Die frühzeitige Beherrschung einer deutschen Großstadt ließ für die US-Nachrichten gewissermaßen eine Laborsituation entstehen, um Eindrücke über die mentale Struktur einer lange durch eine Diktatur manipulierte Bevölkerung und erste Erfahrung für einen demokratischen Wiederaufbau zu sammeln. Hierbei gab es entsprechend dem politischen Spektrum in den USA selbst natürlich verschiedene politische Strömungen.

Ein Team unter Leitung des austroamerikanischen Nachrichtenoffiziers Saul K. Padover führte die Interviews in Aachen. Sie waren extrem links eingestellt. Das mußte zu Konflikten mit der neuen Aachener Verwaltungsspitze führen. Padover stieß sich daran, daß Oppenhoff keine Sozialdemokraten und Gewerkschafter oder gar Kommunisten einstellte und selbst eine geistig vor die Weimarer Republik weisende politische Grundeinstellung besaß. Er rekrutierte beruflich erfahrene Unternehmer oder Rechtsanwälte, wobei ihn im Einzelfall eine formale NSDAP-Mitgliedschaft – wie z.B. bei Kurt Pfeiffer – nicht störte. Vom Aachen-Skandal war da schnell die Rede.

Aber es gab dringendere Sorgen. Erst die Schwierigkeiten des Neubeginns selbst und dann ab Mitte Dezember der sog. Rundstedt- oder Ardennen-Offensive. Es dauerte Wochen bis sich die letzten Reserven Hitlers in den Ardennen festgelaufen hatten – und wieder zurück geschlagen wurden. In Aachen mußte man so lange eine Wiedereroberung und schreckliche Racheakte fürchten.

Nicht ohne Grund fürchtet man aber auch ganz speziell die Rache von Hitlers Schergen gegenüber der neuen Verwaltungsspitze und namentlich Oppenhoff. Zusätzlich mußte man mit der Praktizierung der sog. Sippenhaft gegenüber im noch von den Nazis beherrschten Deutschland rechnen.

Exemplare der internationalen Zeitungen mit dem Bericht der Vereidigung des neuen Oberbürgermeisters auf die Bibel kamen aus Spanien schnell per Luftpost nach Berlin. Himmler persönlich gab den Befehl, den in Deutschland namentlich unbekannten ersten Oberbürgermeister einer von den Alliierten befreiten deutschen Großstadt durch ein Wehrwolfkommando ermorden zu lassen.

Mit einem erbeuteten amerikanischen Bomber wurde das speziell ausgebildete Kommando über dem Vijlener Wald abgesetzt, wo in einem kleinen Feuergefecht der Grenzer Jos Saive erschossen wurde. Die ortskundige BDM-Führerin Ilse Hirsch erkundete schnell die örtliche Situation in Aachen und den Wohnort Oppenhoffs. Am 25.3. 1945 lockten die Attentäter Oppenhoff unter einer vorgetäuschten Vorlage aus seinem Haus in der Eupenerstraße und streckten in mit einem Schuß in die Schläfe nieder.

Padover zollte Oppenhoff mit seinem Einsatz für Aachen bewiesenen Mut im Nachhinein doch Anerkennung:“Ich glaube, daß es Oppenhoff gefreut hätte, das zu hören was ich jetzt sage: Er ist gestorben wie ein Soldat!“

Die Stadt benannte die frühere Kaiserallee in Oppenhoffallee um und stiftete ein beeindruckendes Mahnmal.

Literaturhinweise:

Schild, Ingeborg/Janssen, Elisabeth, Der Aachener Ostfriedhof (1991)
Schwabe, Klaus, Franz Oppenhoff 1902-1945, in: Kasties, Bert/Sicking Manfred (Hrsg.), Aachener machen Geschichte, Bd. I, Aachen 1997
Trees, Wolfgang, Whiting, Charles, Unternehmen Karneval – Der Wehrwolfmord an Aachens Oberbürgermeister Oppenhoff, Aachen 1982